Auch Heime im Kreis Viersen gehörten zu den Einrichtungen, die von Betroffenen als unmenschlich benannt wurden.

 

Oedt. abs. Wer von den älteren Menschen kennt nicht den Satz: „Wenn Du nicht brav bist, kommst Du ins Heim“?
Hunderttausende haben nicht nur den Satz in der Nachkriegszeit bis weit in den 1970iger Jahren gehört, sondern auch erfahren müssen. In mehr als 3000 Einrichtungen der „Fürsorge“ in der BRD, wurden Kinder und Jugendliche aus nichtigsten Gründen durch die Jugendämter aus ihren Familien gerissen und in Heime gesteckt. Es reichte schon oft, wenn ein Kind die Schule schwänzte, ein Mädchen einen Freund hatte oder an Orten „herum lungerten“, die dem Normalbürger nicht passte oder der eine eigene Vorstellung von sittlich verwahrlost hatte. Das Denunziantentum der Nachbarn trieb Blüten und anonyme Anschuldigungen bei Jugendämter waren an der Tagesordnung. Die reagierten schnell und drastisch: ab ins Heim. Aber auch Kinder und Jugendliche, die aus den Ostgebieten fliehen mussten oder die Tausende, die ihre Eltern verloren hatten, wurden „in Obhut“ genommen.
Ebenso gab es tausendfach Kinder und Jugendliche, die von erziehenden Familien, alleinstehende Frauen oder Mütter, die sich in ihrem Leben von Kindern gestört oder überfordert fühlten, ihre Kinder freiwillig in den Fängen der Fürsorge ablieferten. Ablieferten ohne zu wissen, was den Kindern dort in der „Obhut frommer Nonnen und Patres“, unter dem Deckmantel der christlichen Wertevermittlung drohte.
Der überwiegende Teil der Heime waren in christlicher Hand und davon die meisten katholische Einrichtungen, die trotzdem unter staatlicher Aufsicht standen. Dennoch waren Körperstrafen und Folter, Missbrauch, sexueller Missbrauch, Zwangsarbeit und andere unmenschliche Praktiken an der Tagesordnung. Und wieder: alles im Namen des Herrn.

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Einige Beispiele?
Wer nachts im Bett auf dem Bauch, oder mit den Händen unter der Decke schlafend erwischt wurde, musste stundenlang auf Zehenspitzen vor seinem Bett hocken.
Wer zur Toilette musste, bekam von der Gruppennonne zwei Stück Toilettenpapier. Am Ende der Woche, mussten sich alle Kinder in einer Reihe aufstellen und ihre Unterhosen vorzeigen. Wehe es war etwas Urin an der Unterhose oder sogar „braune Flecken“. Sofort wurde öffentlich mit dem Rohrstock oder einem Kleiderbügel gezüchtigt.
Wer eine Abneigung oder Ekel vor einem bestimmten Essen hatte, wurde zwangsgefüttert, mit dem Gesicht ins Essen gedrückt und wer sein Essen ausgebrochen hat, musste sein Erbrochenes essen oder bekam es unter Zwang gefüttert.
Manche Menschen halten das Putzen mit einer Zahnbürste für einen Witz. Dem war in Kinder- oder Erziehungsheime nicht so. Strafputzen, besonders die Toiletten mit Zahn- oder kleiner Bürste waren „NORMAL“
Schulbesuche, wenn es die dann gab, waren Damals für Kinder eine Tortur. Schläge und/oder über Stunden in der Ecke stehen, wenn man zu langsam war oder etwas nicht wusste, war  Schulalttag. Nach der Schule und wenn man das „Mittagessen“ überstanden hatte, gab es den Arbeitsdienst. Gutshof, Feldarbeit, Torfstechen oder Wäscherei.
Jugendliche oder Kinder, die aus diesen Heimen flohen, wurden besonders bestraft. Es gab als mildeste Strafe das Glatze schneiden. Oft aber auch Gruppenkeile, weil die ganze Gruppe wegen der Flucht bestraft wurde und wochenlange Demütigungen, Quälerei, bis hin zur Folter. Oder sie wurden eingesperrt in einem kleinen Raum, der nicht grösser war, wie eine Matratze und ein Eimer für die Notdurft, Platz brauchte. In den Heimen, wo Jugendliche Torf stechen mussten, bekamen Ausreisser besondere Schuhe und Kettenhosen, so dass sie sich nur trippelnd bewegen konnten um im Sommer, wie auch im Winter Torf zu stechen und zu trocknen.                             Eine totale Entrechtung der Heimzöglinge war Standard.

Jugendliche Mädchen wurden meistens in den Wäschereien eingesetzt, wo sie bis zur 10 Stunden täglich schweigend arbeiten mussten. Die einzige Abwechslung war, wenn die Aufsichtsnonnen einen Choral anstimmten, den dann alle mit singen mussten.

Gebetet, besonders von der Christlichen Nächstenliebe, wurde mehrmals am Tag.

Morgens gab es die Messe, nachmittags „der Engel des Herrn“ und Abend gab es immer eine Andacht. Dazu natürlich beim Aufstehen, vor und nach dem Essen und abends, wenn man schlafen gehen durfte. Wenn, wenn man nicht zu einem geistlichen Gespräch zu einem Heimpriester musste, der einem die Sünden des Tages mit sexuellen Handlungen austrieb. Wobei Nonnen auch nicht sehr wählerisch waren. Nicht alle, auch nicht alle Heimpriester, aber doch viel zu viele.Nonne1

Die Gerüchte über Medikamentenmissbrauch an Schutzbefohlene, sind bis heute nicht verstummt, aber kaum noch Nachzuweisen.
Ebenso wenig wie die Selbstmorde von Kinder und Jugendliche auf Grund dieser Erziehungsmethoden.

Jedenfalls wirken diese unmenschlichen Methoden bis heute nach und viele ältere Menschen leben immer noch mit dem Trauma einer zerstörten Kindheit und/oder Jugend, dass nie behandelt wurde und tagtäglich durch Erleben, Gerüche, Worte u.ä. wieder aufbrechen kann.
So stellt sich die Frage, wie faschistoid die Nachkriegszeit wirklich war und bis heute noch in unserer Gesellschaft verankert ist. Denn das dies immer noch nicht zu Ende ist, lässt sich an der Gewalt, den sexuellen Missbrauch, das Schweigen und Vertuschen in der Odenwaldschule, Herz-Jesu-Schule in Saarbrücken uva. nachlesen.

Hintergrundinformationen

2.Teil: Bambule

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