Was wir wissen und was noch unklar ist

Die akute Corona-Infektion ist überstanden, der Schnelltest zeigt ein negatives Ergebnis, doch die

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Symptome bleiben. Kopfschmerzen, Erschöpfung, Konzentrationsprobleme – diese und andere Beschwerden können noch Wochen bis Monate nach der eigentlichen Genesung anhalten. Diese Spätfolgen einer Corona-Infektion, die länger als vier Wochen nach der Ansteckung bestehen oder neu auftreten, werden unter dem Begriff „Long Covid“ zusammengefasst. Obwohl weltweit Millionen Menschen betroffen sind, bleibt das Krankheitsbild in vielerlei Hinsicht ein Rätsel für die Fachwelt. In diesem Artikel erfahren Sie, was inzwischen über Long Covid bekannt ist – und was noch nicht.

Wie kommt es zu Long Covid?

Die Ursachen für Long Covid sind bis heute nicht vollständig geklärt, doch es gibt mehrere Theorien, die den möglichen Mechanismen auf den Grund gehen. Studien deuten darauf hin, dass chronische Entzündungen und Mikrothromben (kleine Gefäßverschlüsse), Viruspersistenz, eine Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus, Veränderungen im Darm-Mikrobiom sowie Autoimmunprozesse potenzielle Auslöser für Long Covid sein könnten.
Eine der jüngeren Hypothesen betrifft das Komplementsystem, einen Teil des Immunsystems, der bei der Abwehr von Krankheitserregern eine Rolle spielt. Forschungen legen nahe, dass das Komplementsystem bei Long-Covid-Betroffenen überaktiv ist und sich nicht abschaltet, was zu kleinsten Blutgerinnseln und Schäden an den Blutgefäßen führen könnte.

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Darüber hinaus wird angenommen, dass auch das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Beispielsweise wurde der sogenannte „Brain Fog“ (Gehirnnebel), den viele Long-Covid-Betroffene erleben, mit einer gestörten Blutversorgung des Gehirns in Verbindung gebracht. Diese könnte dazu führen, dass das Gehirn schlechter vor schädlichen Substanzen im Blut geschützt wird.
Eine andere Theorie betrifft den Vagusnerv, der für die Steuerung vieler Körperfunktionen verantwortlich ist. Eine spanische Studie aus dem Jahr 2022 stellte fest, dass bei über zwei Dritteln der untersuchten Long-Covid-Patienten mindestens ein Symptom auf eine Dysfunktion des Vagusnervs hindeutete. Die Vielfalt der Symptome und der zugrunde liegenden Mechanismen zeigt, wie komplex und vielschichtig Long Covid ist.

Wer ist besonders betroffen

Long Covid kann jeden treffen, unabhängig vom Alter, Geschlecht oder anderen demographischen Faktoren. Allerdings zeigen Daten aus Großbritannien, dass bestimmte Gruppen häufiger betroffen sind. Dazu zählen Menschen zwischen 35 und 69 Jahren, Frauen, Personen aus sozial benachteiligten Regionen sowie Menschen, die im Sozial-, Lehr- und Gesundheitswesen arbeiten. Auch Vorerkrankte und Personen mit einem geschwächten Immunsystem gehören zu den Risikogruppen.
Ein genetischer Risikofaktor könnte das Gen FOXP4 sein, das mit einem höheren Risiko für schwere Covid-19-Verläufe in Verbindung gebracht wird. Stress und psychische Vorerkrankungen könnten ebenfalls die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an Long Covid zu erkranken. Zudem scheint das Risiko für Long Covid höher zu sein, wenn der Krankheitsverlauf von Covid-19 schwer war, etwa wenn eine Behandlung im Krankenhaus oder auf der Intensivstation erforderlich war.

Sind auch Kinder betroffen?

Auch Kinder und Jugendliche können nach einer Corona-Infektion an Long Covid erkranken, jedoch scheint dies seltener der Fall zu sein als bei Erwachsenen. Studien legen nahe, dass etwa ein Viertel der Kinder, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt wurden, noch Monate später an Symptomen wie Müdigkeit oder Schlafstörungen leidet. Bei milderen Verläufen, die zu Hause auskuriert wurden, ist Long Covid bei Kindern seltener, doch auch hier gibt es betroffene Fälle.
Die Forschung zu Long Covid bei Kindern steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Viele Studien konzentrieren sich bislang auf Erwachsene, sodass genaue Daten zur Häufigkeit und den Symptomen bei Kindern noch immer rar sind.

Welche Symptome sind typisch für Long Covid?

Die Symptome von Long Covid sind vielfältig und betreffen zahlreiche Körpersysteme. Zu den häufigsten Beschwerden zählen:
Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue): Eine extreme körperliche und geistige Erschöpfung, die selbst nach geringer Anstrengung auftreten kann.
Kurzatmigkeit: Atemprobleme, die selbst bei geringer Belastung auftreten können.
Konzentrations- und Gedächtnisprobleme („Brain Fog“): Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder klare Gedanken zu fassen.
Schlafstörungen: Probleme beim Ein- oder Durchschlafen, die zu zusätzlicher Erschöpfung führen.
Muskelschwäche und -schmerzen: Schmerzen und Schwäche in den Muskeln, die die Mobilität einschränken können.
Psychische Probleme: Depressive Stimmungen, Angstzustände und andere psychische Beschwerden.
Riech- und Geschmacksstörungen: Anhaltender Verlust oder Veränderung des Geruchs- und Geschmackssinns.
Long Covid ist kein einheitliches Krankheitsbild, und die Symptome können von Person zu Person stark variieren. Einige Betroffene haben nur ein oder zwei leichte Symptome, während andere durch die Vielzahl und Schwere der Beschwerden erheblich in ihrem Alltag eingeschränkt sind.

Wie lange halten die Symptome an?

Die Dauer der Long-Covid-Symptome kann stark variieren. Manche Betroffene kämpfen nur wenige Wochen mit den Beschwerden, während andere über Monate oder sogar Jahre hinweg Symptome haben. Eine chinesische Studie zeigte, dass die Hälfte der hospitalisierten Corona-Patienten auch zwei Jahre nach der Infektion noch mindestens ein Symptom hatte.
In den meisten Fällen scheinen die Symptome von Long Covid jedoch mit der Zeit nachzulassen. Langzeitstudien sind essenziell, um das Krankheitsbild besser zu verstehen und geeignete Behandlungsansätze zu entwickeln. Die Forschung zeigt, dass sich der Gesundheitszustand der Betroffenen oft nur langsam verbessert, was die Notwendigkeit einer langfristigen medizinischen Betreuung unterstreicht.
Wo finden Betroffene Hilfe?
Wer den Verdacht hat, an Long Covid zu leiden, sollte zunächst seinen Hausarzt oder seine Hausärztin aufsuchen. Diese können eine erste Einschätzung vornehmen und gegebenenfalls an spezialisierte Fachärzte oder Long-Covid-Ambulanzen überweisen. In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche dieser Anlaufstellen, die sich auf die Behandlung von Long-Covid-Patienten spezialisiert haben.
Auch Selbsthilfegruppen können eine wertvolle Unterstützung bieten. Hier können Betroffene ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig Mut machen. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Online-Ressourcen und Foren, in denen Informationen und Unterstützung angeboten werden.

Wie wird Long Covid behandelt?

Es gibt bislang kein spezifisches Medikament zur Behandlung von Long Covid. Die Therapie konzentriert sich daher auf die Linderung der Symptome und eine individuelle, symptomorientierte Behandlung. Physiotherapie kann beispielsweise bei Muskelschwäche und Abgeschlagenheit helfen, während Atemtechniken gegen Atemnot eingesetzt werden können.
Mediziner empfehlen Betroffenen, sich selbst zwar zu fordern, aber nicht zu überfordern. Besonders bei Fatigue ist Vorsicht geboten, da Überanstrengung die Beschwerden verschlimmern kann. Eine vorsichtige körperliche Rehabilitation wird hingegen oft als sinnvoll erachtet.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Empfehlungen zur selbstständigen Rehabilitation nach einer Corona-Erkrankung veröffentlicht. Von experimentellen Therapieansätzen wie Überdruckkammern oder Blutwäsche raten Experten hingegen ab, da deren Wirksamkeit nicht belegt ist.

Schützt die Impfung vor Long Covid?

Die Frage, ob die Corona-Impfung vor Long Covid schützt, ist noch nicht abschließend geklärt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Impfung das Risiko für schwere Krankheitsverläufe senken kann und somit auch das Risiko für Long Covid reduziert werden könnte. Vollständigen Schutz bietet die Impfung jedoch

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nicht; auch Geimpfte können Long Covid entwickeln.
Eine Analyse von Studien aus verschiedenen Ländern legt nahe, dass die Covid-19-Impfungen möglicherweise auch eine therapeutische Wirkung haben könnten, indem sie bereits bestehende Long-Covid-Symptome lindern. Dennoch sind weitere Studien erforderlich, um die Wirksamkeit der Impfung bei der Vorbeugung und Behandlung von Long Covid eindeutig zu belegen.

Fazit

Long Covid bleibt auch Jahre nach Beginn der Pandemie ein komplexes und in vielerlei Hinsicht unerforschtes Krankheitsbild. Obwohl die Forschung Fortschritte gemacht hat, sind viele Fragen noch offen. Betroffene stehen oft vor erheblichen Herausforderungen, sowohl medizinisch als auch im Alltag. Es bleibt zu hoffen, dass die laufenden Studien und die zunehmende Aufmerksamkeit für das Thema bald zu effektiveren Behandlungsansätzen führen werden. Bis dahin ist eine individuelle und symptomorientierte Betreuung der beste Weg, um die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.