Foto:Claus-Joachim Dickow

Titelfoto: Claus-Joachim Dickow

abs/oedt. Seit Jahrzehnten trage ich zwei Bücher mit mir herum. Das eine, „Der Echtermeyer“, erhielt ich in den 1960er Jahren zum 19. Geburtstag als Geschenk von einer guten Freundin. Das andere ist ein dünner Band aus dem Rowohlt-Verlag: „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert. Ein Freund gab es mir, als ich wieder einmal als sogenannter „Linker“ vom Verfassungsschutz vernommen wurde und Stunden in einem Raum verbrachte. Diese beiden Bücher begleiteten mich durch die Jahre in Frankreich, Singapur, Malaysia, das Outback von Australien und etwa zehn Jahre in Spanien und auf Mallorca.

Wenn ich die aktuellen Situationen betrachte, lese oder höre, möchte ich uns, die nie einen Krieg unmittelbar erleben mussten, die letzten Verse von Wolfgang Borchert aus dem kleinen Rohwohltband ans Herz legen. Borchert schrie sein Nein in die Welt, während die Massen stumm blieben und ihr „dickes Wohlstands-Zivilleben“ führten.

Doch jeder, der noch ein bisschen Verantwortung und Empathie für das Leben besitzt, sollte mit Borchert schreien:

Sag nein.

 

So aktuell, wie kaum zuvor.

Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre. dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Mädchen hinterm Ladentisch und Mädchen im Büro. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Granaten füllen und Zielfernrohre für Scharfschützengewehre montieren, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Besitzer der Fabrik. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst statt Puder und Kakao Schießpulver verkaufen, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst einen neuen Tod erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder, du sollst Haßlieder singen, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Arzt am Krankenbett. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst die Männer kriegstauglich schreiben, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst den Mord segnen und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Kapitän auf dem Dampfer. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keinen Weizen mehr fahren – sondern Kanonen und Panzer, dann gibt es nur eins:

Sag Nein

Du. Pilot auf dem Flugfeld. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Bomben und Phosphor über die Städte tragen, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Schneider auf deinem Brett. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Uniformen zuschneiden, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Richter im Talar. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst zum Kriegsgericht gehen, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Mann auf dem Bahnhof. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst das Signal zur Abfahrt geben für den Munitionszug und für den Truppentransport, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der Stadt. Wenn sie morgen kommen und dir den Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Der Soldatenfriedhof in Lommel (Belgien) ist der größte deutsche Soldatenfriedhof des Zweiten Weltkriegs im westeuropäischen Ausland. Auf einer Fläche von insgesamt 16 ha (427 × 350 m) liegen hier 542 Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg und 38.569 Gefallene aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Friedhof ist in 63 Felder mit bis zu 28 Reihen und 640 Gräbern gegliedert. Für jeweils zwei Gefallene wurde ein Kreuz gesetzt. In einigen Fällen liegen bis zu neun Soldaten in einem Grab. Ihre Daten sind in Metallschilder eingraviert, die auf beiden Seiten des Kreuzes angebracht wurden.
Der Soldatenfriedhof in Lommel (Belgien) ist der größte deutsche Soldatenfriedhof des Zweiten Weltkriegs im westeuropäischen Ausland. Auf einer Fläche von insgesamt 16 ha (427 × 350 m) liegen hier 542 Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg und 38.569 Gefallene aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Friedhof ist in 63 Felder mit bis zu 28 Reihen und 640 Gräbern gegliedert. Für jeweils zwei Gefallene wurde ein Kreuz gesetzt. In einigen Fällen liegen bis zu neun Soldaten in einem Grab. Ihre Daten sind in Metallschilder eingraviert, die auf beiden Seiten des Kreuzes angebracht wurden.

Du. Mutter in der Normandie und Mutter in der Ukraine, du, Mutter in Frisko und London, du, am Hoangho und am Mississippi, du, Mutter in Neapel und Hamburg und Kairo und Oslo – Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Soldaten für neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins:

Sagt NEIN!
Mütter, sagt NEIN!

Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn IHR nicht nein sagt, Mütter, dann: dann: In den lärmenden dampfdunstigen Hafenstädten werden die großen Schiffe stöhnend verstummen und wie titanische Mammutkadaver wasserleichig träge gegen die toten vereinsamten Kaimauern schwanken, algen-, tang- und muschelüberwest den früher so schimmernden dröhnenden Leib, friedhöflich fischfaulig duftend, mürbe, siech, gestorben – die Straßenbahnen werden wie sinnlose glanzlose glasäugige Käfige blöde verbeult und abgeblättert neben den verwirrten Stahlskeletten der Drähte und Gleise liegen, hinter morschen dachdurchlöcherten Schuppen, in verlorenen kraterzerrissenen Straßen – eine schlammgraue dickbreiige bleierne Stille wird sich heranwälzen, gefräßig, wachsend, wird anwachsen in den Schulen und Universitäten und Schauspielhäusern, auf Sport- und Kinderspielplätzen, grausig und gierig, unaufhaltsam – der sonnige saftige Wein wird an den verfallenen Hängen verfaulen, der Reis wird in der verdorrten Erde vertrocknen, die Kartoffel wird auf den brachliegenden Äckern erfrieren und die Kühe werden ihre totsteifen Beine wie umgekippte Melkschemel in den Himmel strecken – in den Instituten werden die genialen Erfindungen der großen Ärzte sauer werden, verrotten, pilzig verschimmeln – in den Küchen, Kammern und Kellern, in den Kühlhäusern und Speichern werden die letzten Säcke Mehl, die letzten Gläser Erdbeeren, Kürbis und Kirschsaft verkommen – das Brot unter den umgestürzten Tischen und auf zersplitterten Tellern wird grün werden und die ausgelaufene Butter wird stinken wie Schmierseife, das Korn auf den Feldern wird neben verrosteten Pflügen hingesunken sein wie ein erschlagenes Heer und die qualmenden Ziegelschornsteine, die Essen und die Schlote der stampfenden Fabriken werden, vom ewigen Gras zugedeckt, zerbröckeln — zerbröckeln — zerbröckeln — dann wird der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter Lunge, antwortlos und einsam unter der giftig glühenden Sonne und unter wankenden Gestirnen umherirren, einsam zwischen den unübersehbaren Massengräbern und den kalten Götzen der gigantischen betonklotzigen verödeten Städte, der letzte Mensch, dürr, wahnsinnig, lästernd, klagend – und seine furchtbare Klage: WARUM? wird ungehört in der Steppe verrinnen, durch die geborstenen Ruinen wehen, versickern im Schutt der Kirchen, gegen Hochbunker klatschen, in Blutlachen fallen, ungehört, antwortlos, letzter Tierschrei des letzten Tieres Mensch – all dieses wird eintreffen, morgen, morgen vielleicht, vielleicht heute nacht schon, vielleicht heute nacht, wenn – wenn – wenn ihr nicht NEIN sagt.

 

 

Der Text ist zitiert aus Wolfgang Borcherts Gesamtwerk.
Da der Autor über 70 Jahre tot ist, gilt er als gemeinfrei.

 

https://rp-online.de/politik/deutschland/bettina-stark-watzinger-will-zivilschutzuebungen-an-schulen-durchfuehren_aid-108986137
Forderung der Bundesbildungsministerin Lehrer sollen Schüler auf Krieg und Krisen vorbereiten
https://rp-online.de/politik/deutschland/bundeswehr-an-schulen-verbaende-befuerworten-bundesweite-regelung_aid-118506553

https://rp-online.de/wirtschaft/unternehmen/die-groessten-ruestungsunternehmen-in-deutschland-v1_aid-95815039

https://www.n-tv.de/politik/Faeser-will-mehr-zivile-Schutzraeume-einrichten-article23258138.html

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/zivilschutz-bunker-100.html

https://taz.de/100-Milliarden-sind-fast-aufgebraucht/!6003832/

Wie war das mit dem Frosch im heißen Wasser:

Update:

https://www.rnd.de/politik/bundeswehr-pistorius-will-verteidigung-so-schnell-wie-moeglich-fuer-den-krieg-aufruesten-LOVW3KNPOFI3NDLHUZMBCNLSBY.html