Ein moralischer Tiefpunkt der Demokratie!

Deutschland schiebt nun unter massiver Kritik Straftäter auch nach Syrien und Afghanistan ab. In der EU findet die Idee Anklang! Bereitet die Ampel-Koalition nur das Feld für die AFD?

abs/oedt. Im September 2022 feierten die Taliban ihre Machtübernahme in den Straßen Kabuls. Nun planen einige Politiker, Menschen nach Afghanistan abzuschieben. Die deutsche Regierung verhandelte über Katar mit den Taliban und schiebt jetzt Straftäter in das islamistisch regierte Land ab. Diese Maßnahmen stoßen bei verschiedenen Staaten auf Zustimmung. Mitglieder der Regierungskoalition stellen damit jedoch Menschenrechte sowie internationales und nationales Recht infrage. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet die Abschiebung in Länder, in denen Folter und unmenschliche Behandlung drohen, wie zum Beispiel Syrien. Dies bedeutet, dass die Menschenwürde als höchstes Gut betrachtet wird und auch schwere Straftäter nicht abgeschoben werden dürfen. Abschiebungen dürfen in einem Rechtsstaat keine Strafe sein.

Deutschland schiebt Menschen in ein Land ab, mit dessen Machthabern es nur über einen „Mittelsmann“ verhandelt. Angesichts der aktuellen Ereignisse in Afghanistan stellt sich die Frage nach der Motivation hinter diesen Abschiebungen. Am 23. August präsentierte das Taliban-Regime ein neues „Tugendgesetz“. Frauen werden aus dem öffentlichen Leben gedrängt, müssen Schleier tragen, nicht in der Öffentlichkeit singen oder vorlesen. Auch die Publikation von Bildern von Lebewesen ist verboten, was die Medien weiter einschränkt. In Afghanistan herrscht ein religiöser Faschismus, der gegen Menschenrechte verstößt. Laut Amnesty International sind außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Entführungen an der Tagesordnung.

In Afghanistan herrscht zum Beispiel ein religiöser Faschismus, der gegen alle Menschenrechte verstößt. Sind laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Entführungen an der Tagesordnung.

Abschiebungen dürfen in einem Rechtsstaat keine Strafe sein. Das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz verbietet dies. Wer fordert, straffällige Menschen in ein solches Land abzuschieben, verfolgt Rachegelüste. Diese Forderung impliziert, dass die Abgeschobenen in ihrem Heimatland härter bestraft werden. Abgeschobene aus Deutschland sind in Gefängnissen untergebracht, in denen im Winter 2022 120 Menschen erfroren und die hygienischen Zustände katastrophal sind. Abschiebungen in Kriegsgebiete haben potenziell noch schlimmere Konsequenzen. Solche Forderungen kommen nicht nur von der rechtsextremen AfD, sondern auch aus der Bundesregierung, die aus den vergangenen Jahrzehnte scheinbar nichts gelernt haben. Denn wer Rechtspopulisten und -extreme nachäfft, rechtspopulistische und extreme Positionen übernimmt, verkommt nur zu deren Steigbügelhalter und normalisiert damit den rechtsextremen Diskurs, in der Hoffnung auf Wahlerfolge.
In der Bundesregierung scheint man nicht schlau genug, die Lehren aus den vergangenen Jahrzehnten zu ziehen: Denn rechte Wähler bevorzugen das Original gegenüber einer liberalen Kopie.

 

„Das Deutsche Institut für Menschenrechte weist auf die menschenrechtlichen Grundprinzipien hin, die bei Abschiebungen zu beachten sind. Dabei handelt es sich um Refoulement-Verbote, die in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geregelt sind. Das Refoulement-Verbot aus Art. 3 der EMRK gilt dabei absolut – für jeden und jede, unabhängig davon, ob die Person eine Straftat begangen hat oder aber die öffentliche Sicherheit des Aufnahmelandes gefährdet. Es verbietet die Rückführung in ein Land, in dem der Person Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Behörden und Gerichte müssen im Einzelfall im Wege einer Prognoseentscheidung prüfen, ob diese Gefahr im Falle der Rückführung besteht. Das kann zum Beispiel vorliegen, wenn die abgeschobene Person willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, aber auch, wenn sie in eine Lebenssituation kommt, in der sie sich nicht finanzieren kann und unterhalb des Existenzminimums vor sich hinvegetieren müsste. Droht einer Person im Herkunftsland eine Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK, kann sie nicht abgeschoben werden.

 „Das Argument, das Sicherheitsinteresse Deutschlands wiege schwerer als das Schutzinteresse der Täter*innen, ist rechtlich nicht haltbar. Das Refoulement-Verbot gilt absolut – auch für Straftäter*innen.“ Nele Allenberg, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland / Europa © DIMR/B. Dietl
„Das Argument, das Sicherheitsinteresse Deutschlands wiege schwerer als das Schutzinteresse der Täter*innen, ist rechtlich nicht haltbar. Das Refoulement-Verbot gilt absolut – auch für Straftäter*innen.“ Nele Allenberg, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland / Europa © DIMR/B. Dietl

Die Menschenrechtssituation und die Lebensbedingungen zum Beispiel in Afghanistan lassen das befürchten: Der UN-Sonderberichterstatter für die Lage der Menschenrechte in Afghanistan, Richard Bennett, hat in seinen Berichten mehrfach auf die Erosion des Rechtsstaats, die Gewalt und Rechtlosigkeit hingewiesen. Die Taliban gehen willkürlich gegen die Zivilbevölkerung vor, es gibt außergerichtliche Hinrichtungen und Übergriffe auf Inhaftierte in Polizeistationen. Außerdem herrscht in Afghanistan eine humanitäre Krise. Der Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen fehlt. Nahrungsmittel, Wasser und medizinische Versorgung sind Mangelware.

In der öffentlichen Debatte wird aktuell suggeriert, dass für bestimmte Personen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, andere Maßstäbe angewandt werden können. Eine Abstufung bei der Gefahrenprognose für bestimmte Gruppen wie Gefährder*innen oder Straftäter*innen ist jedoch völkerrechtlich unzulässig. Das Argument, das Sicherheitsinteresse Deutschlands wiege in solchen Fällen schwerer als das Schutzinteresse der Täter*innen, ist rechtlich nicht haltbar. Das absolut geltende Refoulement-Verbot ist eine Errungenschaft des Völkerrechts und Ausdruck der im Grundgesetz verankerten Unantastbarkeit der Menschenwürde.“

 

https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuelles/detail/menschenrechtsinstitut-das-refoulement-verbot-gilt-absolut

https://www.rnd.de/politik/friedrich-merz-oesterreichs-gruene-kritisieren-union-chef-in-migrationsdebatte-3R6GZFK6VVHFJIQVE2RPPJOJIA.html