Angriff auf die Zivilgesellschaft: Wie Politiker, Medien und Konzerne gemeinsam Druck aufbauen
Ein orchestrierter Angriff auf die Zivilgesellschaft
Die gesellschaftliche Lage spitzt sich zu. Was früher einzelne Attacken waren, ist heute eine strategisch aufgebaute Kampagne gegen die Zivilgesellschaft – getragen von Teilen der Politik, unterstützt von einflussreichen Wirtschaftsinteressen und begleitet von Medien, die diese Angriffe verstärken.
Eine neue Studie zeigt nun deutlich, wer hinter diesem Netzwerk steht und wie eng politische, wirtschaftliche und mediale Interessen miteinander verflochten sind. Die Folgen für demokratische Prozesse sind bereits gravierend.
Viele Verbände, Initiativen und demokratische Organisationen kennen das Muster: Sobald sie mit ihren Anliegen erfolgreich sind, geraten sie ins Visier mächtiger Akteurinnen. Diese Entwicklung ist nicht neu. Schon beim umstrittenen Handelsabkommen TTIP versuchten CDU-Politikerinnen, kritischen NGOs EU-Fördergelder zu streichen. Der Versuch scheiterte – genauso wie TTIP selbst.
Doch das, was heute geschieht, hat eine neue, bedrohliche Qualität. Der Druck steigt massiv, und erstmals wird offen mit finanziellen und politischen Konsequenzen gedroht, wenn zivilgesellschaftliche Gruppen Kritik äußern.
Politische Angriffe in Brüssel und Berlin
In Brüssel greifen CDU/CSU-Politiker*innen derzeit massiv die Finanzierung von Umweltverbänden an. Gleichzeitig verbreiten sie Falschbehauptungen über angebliche „Auftragslobbyarbeit“ für die EU-Kommission – ein Narrativ, das strategisch benutzt wird, um Vertrauen in demokratische NGOs zu beschädigen.
Doch die Angriffe beschränken sich nicht auf Brüssel.
In Berlin warnen Unionspolitiker*innen nun unverhohlen, dass Organisationen, die gegen den Bruch der politischen Brandmauer protestieren, „mit Konsequenzen für ihre staatlichen Zuschüsse“ zu rechnen hätten.
So offen wurde lange nicht mehr gedroht.
Und genau hier zeigt sich die bedenkliche Entwicklung: Kritik soll durch finanzielle Erpressbarkeit zum Schweigen gebracht werden.
Mediale Stimmungsmache – von der WELT bis zu NIUS
Zu jeder politischen Kampagne gehört auch die mediale Begleitmusik. Genau diese liefern Medien wie die WELT – und in noch radikalerer Form das ultrarechte Portal NIUS.
Diese Plattformen konstruieren ein Feindbild:
NGOs als angeblicher „Schattenstaat“, der gegen die Interessen der Allgemeinheit arbeite.
Eine Behauptung ohne Grundlage, aber wirkungsvoll für eine Öffentlichkeit, die gezielt verunsichert wird.
Auch die BILD beteiligt sich an dieser Stimmungsmache.
Was früher Randpropaganda war, erhält nun den Anstrich einer „seriösen“ Debatte – eine gefährliche Verschiebung.
Ein Blick auf die Zahlen: Wer die Lobby wirklich dominiert
Die Studie macht klar: Die Behauptung, NGOs hätten übermäßigen Einfluss, ist schlicht falsch.
Von den 100 größten Lobbyakteuren in Europa vertreten 81 finanzstarke Wirtschaftsinteressen – nur 7 sind NGOs im weiteren Sinne.
Die Realität ist eindeutig:
Die Zivilgesellschaft ist nicht zu mächtig – sie ist vielmehr ein notwendiges Gegengewicht zu einer übermächtigen Konzernlobby.
Gerade deshalb wird sie angegriffen.
NGOs geben Bürger*innen eine Stimme, schaffen demokratische Räume und bringen Themen auf die Agenda, die sonst unter den Tisch fallen würden: Umwelt, Menschenrechte, Verbraucherschutz, Transparenz.
Doch genau diese Themen stehen vielen Konzernen im Weg.
Wo sich autoritäre und wirtschaftliche Interessen treffen
Autoritäre Regierungen wie in Ungarn und Russland zeigen es seit Jahren:
Kritische zivilgesellschaftliche Stimmen werden eingeschüchtert, finanziell ausgetrocknet oder kriminalisiert.
Genau diese Muster tauchen zunehmend auch in westlichen Demokratien auf.
Autoritäre Kräfte wollen kritische Stimmen schwächen, weil sie ihre Macht begrenzen.
Konzerne wollen sie schwächen, weil NGOs ihre Geschäftsmodelle infrage stellen.
Die Studie zeigt Verbindungen zu Lobbyisten aus der Chemieindustrie und der arbeitgeberfinanzierten Lobbyorganisation INSM.
Diese Akteure profitieren davon, wenn Umwelt- und Menschenrechtsstandards geschwächt werden.
Rückschritt statt Fortschritt: Politische Errungenschaften geraten unter Druck
Die Angriffe erfolgen in einem politischen Klima, in dem zentrale Errungenschaften rückgängig gemacht werden sollen.
Beispiele gibt es genug:
Der Europäische Green Deal, hart erkämpft und zentral für Klimaschutz, wird systematisch untergraben.
Das Lieferkettengesetz, das Unternehmen zu menschenrechtlicher Verantwortung verpflichtet, steht auf der Streichliste.
Umweltverbände, die diese Fortschritte maßgeblich erstritten haben, werden gleichzeitig diffamiert.
Diese Doppelstrategie ist kein Zufall:
Wer die Stimme der NGOs schwächt, schafft Raum für eine Politik zugunsten wirtschaftlich mächtiger Interessen.
Die Union folgt autoritären Narrativen – und der AfD
Besonders alarmierend ist die ideologische Verschiebung innerhalb der Union.
Politiker*innen wie Markus Söder oder Monika Hohlmeier übernehmen Narrative, die aus dem Umfeld der AfD stammen.
Diese wiederum orientiert sich offen an autoritären Vorbildern wie Orbán oder Putin – beides Machthaber, die ihre Zivilgesellschaft systematisch zum Schweigen gebracht haben.
WIE der Angriff funktioniert: Diffamierung, Desinformation, PR-Druck
Die Studie beschreibt eine Reihe gezielt eingesetzter Methoden:
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Desinformation, um NGOs unglaubwürdig erscheinen zu lassen
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Angriffe auf öffentliche Fördergelder, um Kritiker finanziell auszutrocknen
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Einschränkung von Klagerechten, um juristischen Druck zu verhindern
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Astroturfing, bei dem künstliche Bürgerinitiativen erzeugt werden, um „Protest von unten“ zu simulieren
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Strategische Klagen, die Einschüchterung zum Zweck haben
Diese Methoden sind nicht neu – aber sie werden heute koordinierter eingesetzt als je zuvor.Die Folgen sind bereits sichtbar.Viele NGOs berichten, dass sie sich aus Angst vor Angriffen weniger äußern. Stellen werden gestrichen, Förderungen gekürzt, Beteiligungsrechte eingeschränkt. Manche Organisationen ziehen sich bereits vollständig aus politischen Prozessen zurück. Auf EU-Ebene wurden Kommissar*innen sogar verpflichtet, regelmäßig exklusive „Dialoge“ mit Unternehmen zu führen – während Umweltverbände außen vor bleiben.
Das Gleichgewicht kippt.Demokratie verliert, wenn Protest verstummt.
Wenn die Zivilgesellschaft weiterhin ein Bollwerk gegen Autoritarismus, Korruption und Konzernmacht sein soll, braucht sie:
Politische Rückendeckung – Ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht – Gesicherte öffentliche Finanzierung – Klare Regeln gegen übermächtigen Lobbyeinfluss – Und vor allem eine Politik, die sich nicht von autoritären Kräften treiben lässt.

