Aus der Region

Die verkannte Energie

Graue Energie retten: Warum der Abriss eines intakten Schulgebäudes ein ökologischer Fehler wäre

Ein voll funktionsfähiges Gebäude abzureißen, nur weil „etwas Neues“ an seine Stelle soll, ist längst zu einem stillen Klimaskandal geworden. Besonders dann, wenn es sich – wie in diesem Fall – um ein kleines, massiv gebautes Schulgebäude handelt, in dem alle tragenden Wände komplett intakt sind und dessen Umbau zu einem z.B. Zweifamilienhaus im Kern nur eine Entkernung verlangt. Genau hier entscheidet sich, ob wir Ressourcen verschwenden oder verantwortungsvoll handeln.

Ziegelwände: das unbequeme CO₂-Gedächtnis alter Gebäude

Ziegel sind extrem langlebig, stabil und energieintensiv hergestellt. Jede gebrannte Ziegelwand trägt bereits eine hohe Menge grauer Energie in sich – Energie, die längst investiert wurde und bei Erhalt weiter wirkt.
Bei Abriss geht all diese Energie vollständig verloren.
Bei Sanierung bleibt sie zu 80–90 % im Gebäude erhalten.
Ein kleines Ziegel-Schulgebäude mit rund 300 m² BGF enthält:
rund 70–90 Tonnen Ziegelmaterial,
mit 210.000–405.000 MJ gebundener grauer Energie,
was ca. 58.000–112.000 kWh entspricht.
Das entspricht mehreren Jahren Heizenergie – einfach weggeworfen.
Umbau statt Neubau: Die klare CO₂-Rechnung
Auf Basis gängiger Benchmarks:
Neubau – CO₂-Last
Ø Embodied Carbon: 300 kg CO₂e/m²
→ 90.000 kg CO₂e = 90 Tonnen CO₂e
Sanierung / Umbau – CO₂-Last
Behaltene Struktur → nur ca. 34 % der Neubauemissionen
→ 30.600 kg CO₂e = 30,6 Tonnen CO₂e
Einsparung durch Entkernung statt Abriss:
👉 ≈ 59 Tonnen CO₂e
Das entspricht:
dem CO₂ von über 30 Jahres-PKWs,
oder 6 Jahresverbräuchen eines Durchschnittsdeutschen,
oder rund 590.000 gefahrenen Autokilometern.
Und das alles nur, weil man ein vollkommen stabiles Mauerwerk nicht zerstört.

Warum Ziegelgebäude besonders sinnvoll sind zu erhalten

✔ Statisch langlebig — viele dieser Gebäude stehen seit über einem Jahrhundert.
✔ Wärmespeichernd & wertstabil — Ziegel regulieren Feuchte und Temperatur.
✔ Hervorragend sanierbar — ideal für Umnutzung zu Wohnungen.
✔ Recyclingfähig — Ziegel können weiterverwendet, verkauft oder im Gebäude belassen werden.
✔ Sparen Beton — und damit das CO₂-intensivste Baumaterial unserer Zeit.
Ein Abriss zerstört Material, Ressourcen und CO₂-Potenziale, die wir heute bitter brauchen.
„Warum Ziegelgebäude besonders sinnvoll sind zu erhalten“

Zusatz: Die Zementherstellung – eine der schmutzigsten Industrien der Welt

Bevor man auch nur darüber nachdenkt, ein intaktes Gebäude abzureißen, sollte man wissen, dass die Herstellung von Zement – dem Hauptbestandteil von Beton – für 6 bis 8 Prozent aller weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Mehr als der gesamte weltweite Flugverkehr.
Für jeden einzelnen Kilo Zement entsteht etwa ein Kilo CO₂.
Und weil ein Neubau Unmengen an Beton braucht – Bodenplatte, Fundamente, Decken, Stützen, Treppen – wird mit jedem Neubau eine CO₂-Bombe gezündet, die über Jahrzehnte nachwirkt.
Wer trotz gesunder Bausubstanz neu baut, entscheidet sich damit bewusst für eines der schädlichsten Materialien, das unsere Industrie überhaupt herstellt.

Wie eine Sanierung konkret aussehen könnte:

Entkernung
Innenwände raus
Elektrik, Wasser, Heizung neu
neue Dämmung (Holzfaser, Zellulose)
neue Fenster
Dachsanierung wenn nötig
Struktur bleibt vollständig
alle tragenden Wände erhalten
kein zusätzlicher Beton
keine CO₂-Last aus Neubau-Mauerwerk
drastisch weniger Abfall
Materialklug
Holz für Ausbau & eventuelle Aufstockungen
Low-Carbon-Beton nur im Ausnahmefall
recycelbare Innenmaterialien
regionale Beschaffung zur Transport-CO₂-Reduktion

Warum Abrisse künftig strenger genehmigt werden sollen

In immer mehr Städten und Fachkreisen wird gefordert, Abrisse deutlich restriktiver zu handhaben.
Warum? Weil der Bausektor für etwa 40 % des Ressourcenverbrauchs und rund 30–37 % der CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Der Großteil davon entsteht durch Neubauten.
Viele Kommunen diskutieren daher:
✔ Abriss nur noch mit verpflichtender Klimabilanz
Wer abreißen will, muss nachweisen, dass Sanierung nicht möglich oder ökologisch schlechter wäre.
✔ „Abriss-Moratorien“ für intakte Gebäude
Bestand zuerst prüfen: Substanz erhalten, neu nutzen, umbauen.
✔ Genehmigungspflicht mit Begründungszwang
Kein Abriss mehr aus Bequemlichkeit, Mode oder Investoreninteressen.
✔ Förderprogramme für Umbau statt Abriss
Weil Sanierungen in Summe fast immer CO₂ und Ressourcen sparen.

Gerade in Zeiten, in denen der Bausektor dringend dekarbonisiert werden muss, ist die Diskussion über strengere Abrissregeln nicht nur sinnvoll, sondern überfällig.

„Einen vollständig intakten Bau abzureißen, ist pure Ressourcenvernichtung – klimapolitisch eine unverantwortliche Zumutung und ein Schlag ins Gesicht all jener, die nach uns leben müssen. Wer so handelt, bürdet kommenden Generationen eine schwere Hypothek auf und gesellschaftlich nicht mehr vertretbar.
Die CO₂-Bilanz zeigt es schwarz auf weiß:
Umbau schlägt Abriss – jedes Mal.
Alles andere ist eine Verschwendung, die wir uns heute schlicht nicht mehr leisten können.

Fußnoten
Durchschnittswerte zu Embodied Carbon im Wohnbau (300 kg CO₂e/m²) gelten als gängige Orientierungsgröße in europäischen Benchmarks.
 Einsparfaktoren von 60–80 % bei Erhalt tragender Strukturen sind in diversen LCA-Fallstudien dokumentiert.
 Graue Energie von Ziegeln: typische Werte 3,0–4,5 MJ/kg (Herstellung & Brand).

 

 

 

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