Armut wird stigmatisiert – Reichtum bleibt unangetastet
abs/oedt. Die Realität in Deutschland ist längst offensichtlich: Immer mehr Menschen gehen zur Tafel, sammeln Pfandflaschen oder schuften in zwei, drei Jobs – und trotzdem reicht das Geld nicht zum Leben. Es sind Arbeiterinnen, Rentner, Alleinerziehende, Auszubildende – Menschen, die jeden Tag versuchen, würdevoll über die Runden zu kommen. Doch statt Anerkennung erfahren sie Misstrauen. Statt Unterstützung – Kontrolle. Und statt Solidarität – Schuldzuweisungen.
Von den Regierungsbänken hören wir seit Monaten immer wieder dieselben Parolen: „Leistung muss sich lohnen“, „mehr Eigenverantwortung“, „gegen

Missbrauch von Sozialleistungen“. Mit fast schon missionarischem Eifer wird auf diejenigen gezeigt, die auf Grundsicherung angewiesen sind – als wären sie das Problem. Dabei geht es hier um Menschen, die kaum noch eine Wahl haben. Menschen, denen oft keine andere Möglichkeit bleibt, als Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Gleichzeitig verliert dieselbe Bundesregierung kaum ein Wort über diejenigen, die den Staat jährlich um Milliardenbeträge bringen: Großkonzerne, die mit

legaler Steuervermeidung durchkommen. Vermögende, die über verschachtelte Konstrukte Gewinne verschieben. Wirtschaftsakteure, die staatliche Subventionen abgreifen – und dann Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.
Hier fehlt die Empörung. Hier fehlen politische Konsequenzen.
Diese Ungleichbehandlung ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer Haltung: Nach unten wird getreten – nach oben wird gebuckelt. Die Härte des Staates trifft diejenigen, die sich nicht wehren können. Die Nachsicht trifft jene, die Lobbyisten beschäftigen und Parteispenden verteilen.
Es ist höchste Zeit, diese scheinheilige Moral zu durchbrechen. Wer Armut bekämpfen will, muss Reichtum regulieren. Wer soziale Gerechtigkeit ernst meint, darf nicht länger Menschen mit 563 Euro im Monat in Frage stellen – sondern muss sich fragen, warum Milliardenvermögen steuerlich kaum belastet werden.
Diese Regierung muss sich entscheiden: Steht sie auf der Seite der Mehrheit – oder weiter an der Seite jener, die von Ungleichheit profitieren?