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Technologische Abhängigkeit: Warum der Preis für die USA höher ist als für Russland

Deutschland hat eine Abhängigkeit gegen eine andere eingetauscht. Weg vom russischen Gas, hinein in eine technologische Abhängigkeit von den USA, die tiefer, umfassender und politisch gefährlicher ist. Wer das unterschätzt, riskiert Souveränität, Demokratie und Handlungsspielräume.

 

Viele haben sich zu Recht darüber empört, dass Deutschland beim Gas von Russland abhängig war. Diese Abhängigkeit galt als strategischer Fehler, als sicherheitspolitisches Risiko, als moralisches Problem. Was kaum jemand offen ausspricht: Wir haben diese Abhängigkeit nicht überwunden. Wir haben sie ersetzt. Und zwar durch eine, die tiefer reicht, schwerer zu erkennen ist und im Ernstfall wesentlich zerstörerischer wirkt.
Du lebst heute in einem Land, das technisch, digital und infrastrukturell stärker von den USA abhängt als es je von russischem Gas abhängig war. Diese Abhängigkeit ist kein Randthema. Sie ist das Fundament moderner Staatlichkeit. Und genau deshalb ist sie politisch brisant.

1. Der Tausch: Energie gegen Technologie
Die Abhängigkeit von russischem Gas war konkret, messbar und sichtbar. Liefermengen, Preise, Pipelines. Politik konnte reagieren, wenn auch spät. Die Abhängigkeit von den USA ist anders. Sie betrifft nicht einen Rohstoff, sondern nahezu jede technische Grundlage deines Alltags und der staatlichen Funktionsfähigkeit.
Cloud-Dienste, Betriebssysteme, Halbleiterdesign, Plattformen, Kommunikationsinfrastruktur, Finanzsysteme, Software-Standards. Kaum eine zentrale technologische Errungenschaft, auf die Staat, Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen sind, kommt ohne US-Unternehmen, US-Recht oder US-Kontrolle aus. Diese Abhängigkeit ist nicht punktuell. Sie ist systemisch.
Wenn Gas fehlt, friert es. Wenn Technologie entzogen wird, steht alles.

2. Warum diese Abhängigkeit gravierender ist
Technologische Abhängigkeit wirkt leise. Sie braucht keinen Lieferstopp. Sie funktioniert über Zugänge, Lizenzen, Updates, Sanktionen, Compliance-Regeln und extraterritoriales Recht. Die USA müssen keinen offenen Druck ausüben. Sie können Systeme verlangsamen, sperren, entziehen oder unbrauchbar machen. Und sie können das selektiv tun.
Das ist keine Theorie. Das ist gelebte Praxis internationaler Machtpolitik. Wer sich außerhalb der politischen Erwartungshaltung bewegt, riskiert reale Konsequenzen. Konten werden gesperrt. Plattformen gekappt. Visa entzogen. Existenzen beschädigt.
Der entscheidende Punkt: Diese Mittel lassen sich jederzeit einsetzen, ohne Krieg, ohne Parlamentsbeschluss, ohne öffentliche Eskalation. Genau darin liegt ihre Stärke.

3. Politische Disziplinierung durch Technologie
Ein oft genanntes Beispiel ist der Fall eines Richters am Internationalen Gerichtshof, dessen berufliches und privates Leben nach einem politisch unerwünschten Urteil massiv beeinträchtigt wurde. Das Beispiel steht nicht für einen Einzelfall, sondern für ein Prinzip.
Technologische Abhängigkeit schafft politische Verwundbarkeit. Nicht nur für Staaten, sondern für Personen. Richter, Wissenschaftler, Journalisten, Politiker. Wer auf US-Infrastruktur angewiesen ist, ist angreifbar. Und wer angreifbar ist, wird vorsichtig.
Das verändert Entscheidungsprozesse. Nicht offen, nicht offiziell, aber wirksam.

4. Das US-Strategiepapier: Europa als Problemzone
Das im November 2025 veröffentlichte Strategiepapier der US-Administration markiert einen Wendepunkt. Europa wird darin nicht mehr primär als Wertepartner betrachtet, sondern als Raum mit widersprüchlichen Interessen. Deutschland nimmt dabei eine Sonderrolle ein.
Aus US-Sicht ist Deutschland wirtschaftlich stark, politisch eigenständig und strategisch nicht immer berechenbar. Genau das macht es problematisch. In einer Welt, die zunehmend in Machtblöcken denkt, gelten autonome Akteure als Risiko.
Die jahrzehntelange Partnerschaft wird damit nicht offiziell aufgekündigt, aber faktisch neu definiert. Weg von gemeinsamen Werten, hin zu klaren Erwartungen und Konsequenzen.

5. Warum die EU stört
Eine starke Europäische Union ist aus US-Perspektive kein Selbstläufer mehr. Sie setzt eigene Standards, reguliert US-Tech-Konzerne, widerspricht Sanktionen und entwickelt geopolitische Ambitionen. Das macht sie unbequem.
Nationalstaaten sind einfacher zu beeinflussen als ein integrierter Block. Bilaterale Beziehungen sind leichter zu steuern als komplexe europäische Entscheidungsprozesse. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum Teile der US-Strategie eine Schwächung der EU zumindest billigend in Kauf nehmen.
Das ist keine Verschwörung. Es ist klassische Machtlogik.

6. Die AfD im geopolitischen Kontext
Ein sensibler Punkt in der aktuellen Debatte ist die Rolle der AfD im amerikanischen Kalkül. Es geht dabei nicht um offene Unterstützung oder formale Bündnisse. Es geht um strukturelle Passfähigkeit.
EU-kritische, nationalstaatlich orientierte Parteien fügen sich leichter in ein bilaterales Weltbild. Sie schwächen supranationale Strukturen und verschieben Macht zurück auf die Ebene einzelner Staaten. Das macht sie aus US-Sicht berechenbarer.Das bedeutet nicht, dass die USA die AfD steuern oder kontrollieren. Es bedeutet, dass bestimmte politische Positionen geopolitisch anschlussfähig sind.

7. Trump und Vance: zwei unterschiedliche Risiken
Ein kurzer Blick auf die handelnden Personen verdeutlicht die Dynamik. Donald Trump agiert offen, konfrontativ und transaktional. Seine Politik ist berechenbar, weil sie laut ist. Man weiß, woran man ist.
J.D. Vance steht für eine andere Linie. Ideologisch schärfer, systemkritischer, weniger an bestehende Allianzen gebunden. Gegenüber Vance wirkt Trump fast moderat. Vance denkt langfristig, kulturkämpferisch und radikal souveränistisch.
Für Europa ist das gefährlicher. Nicht wegen offener Drohungen, sondern wegen struktureller Neuausrichtung.sadness, depression, man, loneliness, alone, missery, unhappiness, sorrow, suicidal, despair, desolation, stop hand gesture, sorrow, sorrow, sorrow, sorrow, sorrow, suicidal, despair, despair

Deutschland hat die Gas-Abhängigkeit von Russland durch eine tiefere technologische Abhängigkeit von den USA ersetzt.
Technologische Abhängigkeit ist politisch instrumentalisierbar, leise und hochwirksam.
Das US-Strategiepapier markiert eine Abkehr von wertebasierter Partnerschaft.
Die EU wird aus Machtlogik heraus als Störfaktor wahrgenommen.
Nationale Parteien gewinnen geopolitische Relevanz, unabhängig von ihrer Programmatik.
Trump ist laut, Vance ist strategisch gefährlicher.

Wenn wir glauben sollen, technologische Abhängigkeit sei ein abstraktes Zukunftsthema, verkennen wir die Gegenwart und verspielen unsere und die Zukunft unserer Kinder.

Wir sollten uns mehr mit digitaler und politischer Souveränität befassen. Unbequeme Fragen stellen.  Denn Abhängigkeit verliert man nicht durch Schweigen, sondern durch Klarheit.

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