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Abzocke auf Facebook: „Falsche Boutiquen, Fake-Shops und Pflege-Geschenke für Senioren“

Abzocke auf Facebook: Wie falsche Boutiquen, Fake-Shops und „Pflege-Geschenke“ Millionen Nutzer täuschen
Facebook ist inzwischen zu einem Marktplatz geworden, der mit „Einkaufsromantik“ spielt: angebliche Boutiquen, kleine Läden kurz vor der Geschäftsaufgabe, Inhaber, die „aus Altersgründen“ schließen müssen oder „keine Nachfolger finden“. Dazu wunderschöne Fotos – perfekt ausgeleuchtet, professionell bearbeitet, mit liebevoll arrangierten Produkten. Es wirkt lokal, vertrauenswürdig, persönlich.
Doch scrollt man sich durch diese Seiten, kommt die Ernüchterung. Kein Impressum. Keine verantwortliche Person. Kein greifbarer Laden. Und irgendwann taucht eine Adresse auf, die die ganze Inszenierung entlarvt: Hongkong, China, Korea oder irgendwo in Osteuropa.
Beispiel gefällig?
Öffnungszeiten Montag bis Freitag, 10–17 Uhr.
„kundenservice@meine-ledertaschen.de
“.
Antwort binnen 24 Stunden.
„DVM-Commerce Limited“ in der Argyle Street, Mong Kok, Kowloon, Hongkong.
Das klingt seriös. Ist es aber nicht.

Die rechtliche Seite: Was hier passiert, ist alles – nur nicht legal
Diese Shops verstoßen fast immer gegen deutsche Gesetzgebung, besonders:
1. Impressumspflicht (§ 5 TMG)
Jeder gewerbliche Anbieter muss ein vollständiges Impressum liefern.
Diese Fake-Shops haben keines – oder verstecken es bewusst irgendwo im Nirgendwo.
2. Fehlende Widerrufsbelehrung (§ 312d BGB)
Wer in Deutschland Waren verkauft, muss klar über Rückgaberechte informieren.
Diese Seiten tun es nicht. Damit ist jeder Kauf rechtlich wertlos – aber dein Geld bist du trotzdem los.
3. Keine Transparenz über Unternehmenssitz
Shop wirkt lokal – Firma sitzt in Fernost.
Das ist Täuschung. Punkt.
4. Produkte entsprechen oft nicht EU-Standards
Von Giftstoffen in Leder bis hin zu Schmuck, der nicht den Sicherheitsrichtlinien entspricht – Rücksendung praktisch unmöglich.
5. Datenabgriff in großem Stil
E-Mail, Adresse, Kreditkarte – alles wird verwertet, verkauft und weitergereicht. Und jeder Like, jeder Kommentar, jede Interaktion stärkt diese Strukturen.

Und trotzdem: 75 Prozent der Nutzer liken diese Angebote
Das ist das Perfide.
Man sieht die Kommentare unter solchen Anzeigen:
„Wie schön!“
„Viel Glück für eure Zukunft!“
„Süße Tasche, bestelle gleich!“
Dazu Herzen, Umarmungen, Glückwünsche.
Ein emotionaler Marktplatz, der nichts anderes ist als ein Datenbasar für dubiose Händler.
Menschen werden nicht nur emotional abgeholt – sie werden emotional ausgenommen.

Der nächste Trick: Gratis-Treppenlifte, kostenlose Badumbauten, Hygieneartikel „jeden Monat gratis“
Seit Monaten häufen sich Anzeigen, die Pflegebedürftigen und Senioren das Blaue vom Himmel versprechen:
Treppenlift kostenlos!
Badezimmerumbau geschenkt!
Monatlich Pflegeartikel im Wert von XX Euro – gratis!
Es klingt wie ein Wunder.
Es ist keines.
Es ist dieselbe Masche, nur mit deutscher Flagge oben drauf.
Auch hier kennt die Polizei die Hintermänner.
Auch hier warnen Medien regelmäßig.
Und trotzdem klicken Menschen auf diese Anzeigen, tragen Daten ein oder telefonieren sogar mit diesen Firmen.
Die Masche ist so alt wie das Telefon selbst:
„Sie haben gewonnen!“
Nur moderner verpackt, algorithmisch verstärkt und emotional aufgeladen.

Die gefährlichste Illusion: „Ich merke schon, wenn etwas unseriös ist“
Nein.
Tun viele nicht.
Weil viel zu viele glauben, Facebook würde schon irgendetwas prüfen.
Tut es nicht.
Weil viele denken, ein schönes Bild sei ein Beweis für Seriosität.
Ist es nicht.
Weil viele nicht damit rechnen, dass Menschen aus Fernost ein deutsches Dorfgefühl imitieren.
Sollten sie aber.
Wer solche Seiten liked, kommentiert oder dort bestellt, macht sich – ohne es zu wollen – zum Unterstützer mafiöser Strukturen, die nur eines wollen: dein Geld und deine Daten.
Und diese Daten bringen erneut Geld. Einmal beim Verkauf, einmal beim Betrug, einmal beim Weiterreichen an noch kriminellere Netzwerke.

Warum diese Maschen gerade jetzt funktionieren
Dazu kommt:
Viele ältere Menschen sind allein, emotional empfänglich und froh über jeden „Kontakt“, auch digitalen.
Und während Politiker wie Merz, Spahn oder Julia Klöckner öffentlich über Sicherheit, Verantwortung und Verbraucherschutz reden, versinkt das Netz gleichzeitig in einem Sumpf aus Betrug und Desinformation, der kaum kontrolliert wird.

Was man tun kann – und was man unbedingt lassen sollte
Unbedingt vermeiden:
– Keine Bestellungen über Shops ohne Impressum
– Keine Daten übertragen
– Keine Interaktionen („Like“, „Herz“, „Viel Glück“ – all das pusht den Betrüger)
– Keine Zahlung per Kreditkarte oder Klarna bei unbekannten Seiten
Unbedingt tun:
– Screenshots machen
– Anzeigen melden
– Polizei informieren, wenn Geld verloren wurde
– Familie, Freunde, Nachbarn warnen – besonders ältere Menschen
Denn eines ist sicher:
Diese Maschen werden nicht verschwinden.
Sie werden perfekter. Professioneller. Emotionaler.
Und sie nutzen jede menschliche Schwäche – ohne jede Skrupel.

Fußnoten
[1] Gesetz über das Telemedien (TMG): https://www.gesetze-im-internet.de/tmg/

[2] Widerrufsrecht nach BGB: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__312d.html
[3] Sicherheitshinweise der Polizei zu Fake-Shops: https://www.polizei.de/
[4] Musterartikel vom 31. Oktober (Standpunkt Grefrath): https://standpunkt-grefrath.de/abzocke-mit-angeblicher-hilfe-wie-senioren-und-pflegebeduerftige-im-www-ins-visier-geraten/

https://www.deutschlandfunk.de/private-pflegedienste-berlin-geht-gegen-betrueger-vor-100.html

 

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