oedt/abs. Die Älteren erinnern sich: Menschen, die in aller Herrgottsfrühe vor dem Arbeitsamt standen und auf einen Job auf Baustellen, Großmarkt oder bäuerlichen Unternehmen für Stunden oder Tage hofften. Diese Art der „Tagelöhner“ gab es noch bis weit in der Zeit des sogenannten Wirtschaftswunders.

Heute, im Jahre 2017, Deutschland ist Exportweltmeister, Umsätze steigen von Jahr zu Jahr und Bonusse, Managergehälter oder Ablösesummen steigen ins Obszöne, sind wieder Millionen Menschen ohne sichere Arbeitsverhältnissen und arbeiten in einem der reichsten Länder der Welt – falls sie dann einen Job bekommen, als Tagelöhner. Dabei wäre es zwingend notwendig, angemessene Löhne zu zahlen. Den Mindestlohn so progressiv zu gestalten, dass Altersarmut nicht mehr als Damoklesschwert über den Menschen schwebt und prekäre Arbeitsverträge der Vergangenheit angehören, sodass endlich etwas mehr soziale Gerechtigkeit den Menschen Hoffnung gibt und die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinanderklafft, sondern beginnt, sich stückweise zu schließen. Seit Jahrzehnte wird der Arbeitsmarkt für Konzerne mit fadenscheinigen Begründungen „liberalisiert“, soziale Verpflichtungen einseitig abgebaut und nie mehr zurück genommen. Denn die Vorteile für Konzerne, oder der Bundesregierung sind einfach zu „schön“. Gute Jobs werden durch schlechte Jobs ersetzt und der Arbeitsmarkt wird für den Arbeitgeber flexibler, billiger und nur noch auf Gewinnmaximierung ausgelegt.

Wo gestalten sie nur?

Gewerkschaften halten die Füße still bei dieser verehrenden Entwicklung und Jobcenter streichen Gelder, ordnen unsinnige „Lehrgänge“ an und sanktionieren fleißig Menschen, die sich gesellschaftlich sowieso schon ausgeschlossen fühlen. Und alles nur, damit die Statistiken über Arbeitslosenzahlen manipuliert werden können.

 

Das bis zum Erbrechen zitierte „Jobwunder“ in Deutschland hat nie stattgefunden. Die Definition „Erwerbstätige“ der ILO, die Deutschland übernommen hat, ist unkorrekt und schwammig. Sie geht nicht von einem Vollzeitjob des Erwachsenen Arbeitnehmer aus, sondern rechnet alle Tätigkeiten, Teilzeit, Minijob, Leiharbeit und andere atypische Beschäftigungen ein, die mindestens eine Stunde dauert und bezahlt wird. So spricht die Hans-Böckler-Stiftung von einer Zunahme von fast 60 Prozent der prekären Arbeitsverhältnisse, gegenüber nur etwa 7 Prozent von Menschen, die in einer Vollzeitarbeitsstelle gelangt sind. Dabei möchte dann die Politik dies als moderner Arbeitsmarkt und als                       Entlastung für Arbeitnehmer und Familien verkaufen.

 

Wie die Hütchenspieler

Doch auch die Manipulationen der geschönten Zahlen täuschen nicht darüber hinweg, dass Deutschland sich zum Niedriglohn- und Niedrigrentenland Nummer eins in der EU entwickelt hat. Hauptsächlich liegt es daran, dass Gewerkschaften ihre im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie aufgegeben haben und somit Löhne, Gehälter und Arbeitsbedingungen von Politik und Unternehmen diktiert werden. Der staatliche Einfluss auf Arbeitsbedingungen war noch nie so gravierend, wie in den letzten fünfzehn Jahre, mit verheerenden Folgen für den Arbeitnehmer: Dumpinglöhne, steigende Leiharbeit. Unsoziale Werksverträge und Minijobs. Arbeit auf Abruf und letztendlich das Wiedererstehen der Tagelöhner. Dazu kommt das Aufweichen und massivem Abschaffen von Arbeitsrechten und die Verbreitung von Angst vor der Arbeitslosigkeit, herausfallen aus dem sozialen System und die Unsicherheit, für die Zukunft zu planen und der Altersarmut. Unternehmen ziehen sich aus dem paritätischen Sozialsystem zurück und haben nur noch Gewinnmaximierung im Fokus jenseits aller sozialen Verantwortung für die Beschäftigten. Dabei ist dies alles kein Geheimnis und seit Jahren bekannt. So bekannt, dass von der Politik die jährlichen Armutsberichte der Wohlfahrtsverbände „entschärft“ und „geschönt“ werden. Die Gewerkschaften halten unverständlicherweise ihre Füße still und lassen es zu, dass der Staat diese asozialen Subventionierungen der Gewinnmaximierung vieler Konzerne weiter ausdehnt und dies den Menschen als „soziale Verantwortung“ dem Arbeitnehmer gegenüber verkauft. Gerade die Sozialdemokratie hat sich seit Schröder mit der sogenannten Agenda 2010, dem Abbau im Gesundheitssystem, die als Modernisierung den Menschen gegenüber erklärt wurde, von ihrer sozialen Verantwortung verabschiedet. Die Partei, die immer gegen eine Klassengesellschaft war, entpuppt nun als Wegbereiter dieser Klassengesellschaft.

 

Gehen wir von einer Armutsgrenze bei netto 979 Euro aus, leben im reichen Deutschland mindestens 25 Millionen Menschen unterhalb dieser Armutsgrenze. Tendenz steigend. Dabei ist die berühmte/berüchtigte Dunkelziffer derjenigen, die aus Scham oder anderen Gründen im Verborgenen bleiben, nicht eingerechnet. Ebenso nicht die Millionen Menschen, die immer noch unter dem asozialen Mindestlohn von 8,84 Euro Sklaven, weil sie noch an verwerflichere Tariflöhne gebunden sind. So ist es kaum verwunderlich, das weit über 50 Prozent der Bürger hoch verschuldet sind und für ihre Alterssicherung nichts zurück legen können.

Arcaion / Pixabay

Drängende Umweltprobleme werden dadurch weniger wahrgenommen. Soziale Gerechtigkeit ist nun einmal der Schlüssel zu allen Problemen dieser Zeit und darum sollte dringend ein Grundeinkommen für alle auf den Weg gebracht werden. Erst dann wird Armut nichtmehr verwaltet, sondern abgeschafft.  

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