Zusammen mit dem Mediennetzwerk One Free Press Coalition stellt die Republik jeden Monat Journalistinnen und Journalisten vor, die wegen ihrer Arbeit in Gefahr sind oder gar ihr Leben verloren haben.
Von Sylke Gruhnwald, 06.04.2019, Update: 06.05.2019
https://www.republik.ch/2019/05/06/gehetzt-gefoltert-getoetet
Die maltesische Reporterin Daphne Caruana Galizia wird am 16. Oktober 2017 mit einer Autobombe ermordet. Der Investigativjournalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová werden am 21. Februar 2018 in ihrem Haus erschossen. Der Kolumnist der «Washington Post» und Regimekritiker Jamal Khashoggi wird am 2. Oktober 2018 in der saudischen Botschaft in Istanbul umgebracht, seine Leiche zerstückelt und entsorgt.
Mehr als 1330 Morde in 27 Jahren
Gemäss Recherchen der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists wurden seit 1992 1338 Journalistinnen und Journalisten ermordet. Viele Fälle – wie die von Caruana Galizia, Kuciak und Khashoggi – sind bis heute nicht aufgeklärt. Die verfolgten, bedrohten und ermordeten Journalistinnen und Journalisten geraten in Vergessenheit. Solche Angriffe auf die Pressefreiheit machen anderen Schlagzeilen Platz.
Für die Pressefreiheit kämpft die One Free Press Coalition, ein Zusammenschluss von internationalen Medien, darunter «Forbes», das «Time Magazine», die «Financial Times», Yahoo News, die «Süddeutsche Zeitung», die Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters. In der Schweiz sind «Le Temps» und Republik Partner des Netzwerks.
Gemeinsam stellen die Medienhäuser jeden Monat Journalistinnen und Journalisten vor, die staatliche Repressionen erleiden, weil sie regierungskritisch berichten. Denen Haft droht oder die im Gefängnis sitzen, weil sie Korruption und Machtmissbrauch aufdecken. Die um ihr Leben fürchten müssen, weil sie autoritären Regimes die Stirn bieten. Oder die wegen ihrer journalistischen Arbeit umgebracht wurden.
Mai 2019
Azory Gwanda
Wird vermisst.
Land: Tansania
Medium: «Mwananchi» und «The Citizen»
Der freischaffende Journalist Azory Gwanda ist seit 21. November 2017 verschwunden. Er arbeitete vor allem im ländlichen Tansania. Unter anderem hatte der Investigativjournalist über eine Mordserie in der Region Kibiti berichtet. Die Anschläge richteten sich gemäss Gwandas Recherche vor allem gegen Polizisten und Beamte. Aufgeklärt sind die Morde bis heute nicht.
Wa Lone und Kyaw Soe Oo
Zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Land: Burma
Medium: Reuters
Anklage: Geheimnisverrat
Wa Lone und Kyaw Soe Oo, Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters, wurden am 12. Dezember 2017 verhaftet. Ihnen wurde vorgeworfen, gegen den Official Secrets Act verstossen zu haben. Das Gesetz stammt aus der britischen Kolonialzeit und stellt unter Strafe, behördliche Dokumente zu erhalten und zu veröffentlichen. Tatsächlich berichteten die Reporter über ein Massaker von Sicherheitskräften an Rohingya-Männern und -Jungen im westlichen Rakhine State. Sie wurden zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Der Oberste Gerichtshof von Burma hat das Urteil im April bestätigt.
Mahmoud Abou Zeid, genannt Shawkan, und Alaa Abdelfattah
Müssen sich täglich bei der Polizei melden.
Land: Ägypten
Medium: Fotograf und Blogger
Der ägyptische Blogger Alaa Abdelfattah und der Fotograf Mahmoud Abou Zeid sassen fünf Jahre in Haft. Im Frühjahr wurden die Journalisten aus dem Gefängnis entlassen. Doch frei sind die beiden nicht: Jeden Tag um 18 Uhr müssen sich Abdelfattah und Shawkan auf dem Polizeiposten melden. Und das für die nächsten fünf Jahre.
Aasif Sultan
In Haft.
Land: Indien
Medium: «Kashmir Narrator»
Das Zuhause von Aasif Sultan wurde im August 2018 von der Polizei durchsucht. Wenige Tage später wurde der indische Journalist verhaftet. Ihm wird Landesverrat vorgeworfen. Sultan wurde wiederholt verhört und aufgefordert, der Polizei seine Quellen offen zu legen.
Mimi Mefo
Wurde verhaftet und frei gelassen.
Land: Kamerun
Medium: Equinoxe Television
Die Journalistin Mimi Mefo wurde im November 2018 verhaftet. Die Vorwürfe: Verbreitung von Fake News und Cyberkriminalität. Nach vier Tagen im Gefängnis wurde sie frei gelassen. Mefo hatte zuvor kritisch über die Unruhen im Nord- und Südwesten Kameruns berichtet. Heute engagiert sich Mefo für die Pressefreiheit in Kamerun und kämpft gegen die Schikanierung von Journalistinnen und Journalisten.
April 2019
Anna Nimiriano
Lebt unter ständigen Bedrohungen und Einschüchterungsversuchen.
Land: Südsudan
Medium: «Juba Monitor»
Anna Nimiriano ist die erste Chefredaktorin der Zeitung «Juba Monitor» im Südsudan. Sie wird bedroht und eingeschüchtert. Die Regierung ordnet immer wieder an, die Zeitung zu schliessen. Nimiriano kämpft dagegen an. Sie holt ihre Reporterinnen und Redaktoren aus dem Gefängnis, trotzt der Zensur im Land.
Maria Ressa
Wurde mehrfach verhaftet und juristischem Druck ausgesetzt.
Land: Philippinen
Medium: «Rappler»
Anklage: üble Nachrede im Internet und Steuerhinterziehung
Am 13. Februar 2019 wurde Maria Ressa von Beamten der philippinischen Bundespolizei in der Redaktion des digitalen Nachrichtenportals «Rappler» verhaftet. Der Chefredaktorin wird vorgeworfen, einen Geschäftsmann im Internet verleumdet zu haben. Sie wurde am nächsten Tag freigelassen. «Rappler» wird ausserdem unterstellt, Steuern hinterzogen zu haben. Am 28. März 2019 erliessen Behörden auf den Philippinen Haftbefehle gegen Redaktoren und leitende Angestellte des Nachrichtenportals. Ressa wurde erneut vorübergehend festgenommen. Ressa und «Rappler» berichten kritisch über den Anti-Drogen-Krieg des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte.
Osman Mirghani
Wurde festgenommen.
Land: Sudan
Medium: «Al-Tayar»
Sudanesische Behörden verhafteten im Februar 2019 den Chefredaktor der Zeitung «Al-Tayar» Osman Mirghani. Sein Gesundheitszustand hat sich im Gefängnis verschlechtert. Ende März wurde er freigelassen. Die Behörden gaben bis heute nicht bekannt, welche Anklage gegen ihn erhoben wird. Vor seiner Festnahme hatte Mirghani über Proteste im Sudan berichtet.
Amade Abubacar
Ist seit Januar 2019 ohne ordentliches Gerichtsverfahren inhaftiert.
Land: Moçambique
Medium: Rádio e Televisao Comunitária Nacedje de Macomia und Zitamar News
Der Radiojournalist Amade Abubacar wurde im Januar 2019 festgenommen. Er fotografierte gerade Familien, die vor Angriffen der Miliz im Norden der moçambiquanischen Provinz Cabo Delgado flohen. Er wurde zunächst in ein Militärgefängnis gebracht, ohne Kontakt zur Aussenwelt. Mittlerweile wurde Abubacar in ein Gefängnis verlegt, weit von seiner Heimat entfernt. Er sitzt ohne Gerichtsverfahren in Haft.
Miguel Mora und Lucía Pineda Ubau
Sind in Haft.
Land: Nicaragua
Medium: 100% Noticias
Anklage: Anstiftung zu Hass und Gewalt
Im Dezember 2018 stürmte die nicaraguanische Polizei den Fernsehsender 100% Noticias und verhaftete den Senderdirektor Miguel Mora und dessen Nachrichtenchefin Lucía Pineda Ubau. Beide Journalisten wurden wegen Anstiftung zu Hass und Gewalt angeklagt. Ein Anwalt wird ihnen verweigert. Die letzten Einträge auf der Website des Nachrichtenportals stammen vom 23. Dezember 2018. Seitdem darf 100% Noticias nicht mehr senden.
Rana Ayyub
Wird bedroht und eingeschüchtert.
Land: Indien
Medium: Freischaffende Investigativjournalistin
Die Reporterin Rana Ayyub recherchiert Tabuthemen wie Gewalt gegen Angehörige niedrigerer Kasten und Minderheiten in Indien. Ayyub wird seit 2018 auf Facebook und Twitter bedroht: Pornografische Videos wurden gestreut, in die ihr Gesicht montiert wurde, es folgten Aufrufe zu Gruppenvergewaltigungen, ihre Adresse und ihre Telefonnummer wurden veröffentlicht.
Tran Thi Nga
Wurde zu neun Jahren Gefängnis verurteilt.
Land: Vietnam
Medium: eigener Blog
Anklage: Propaganda
Am 25. Juli 2017 wurde Tran Thi Nga schuldig gesprochen, gegen Paragraf 88 des Strafgesetzbuches verstossen zu haben. Als Beweismittel präsentierten Staatsanwälte 13 Videos. In den Videos wirft Nga dem vietnamesischen Regime vor, gegen die Menschenrechte verstossen zu haben. Sie habe Propaganda betrieben, urteilt das Gericht. Der Prozess dauerte nur einen Tag.
Miroslava Breach Velducea
Wurde im März 2017 ermordet.
Land: Mexiko
Medium: «La Jornada»
Im März 2017 wurde die «La Jornada»-Korrespondentin Miroslava Breach Velducea in der nordmexikanischen Stadt Chihuahua erschossen. Sie hatte Verbindungen von mexikanischen Politikern zu organisierter Kriminalität und Drogenkartellen recherchiert. Vor ihrem Tod hatte sie mindestens drei Drohungen wegen ihrer Berichterstattung erhalten. Derzeit befindet sich ein Verdächtiger in Haft. Die nächste Anhörung im Fall der ermordeten Journalistin wird voraussichtlich in einigen Monaten stattfinden.
Azimjon Askarov
Wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Land: Kirgistan
Medium: unter anderem die regionalen Nachrichtenportale «Golos Svobody» und «Ferghana News»
Anklage: Beihilfe zum Mord an einem Polizisten und Verbrechen gegen den Staat
Der kirgisische Journalist Azimjon Askarov verbüsst eine lebenslange Haftstrafe im Gefängnis. Er hatte Folter von Polizisten, politische Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen während des ethnischen Konflikts 2010 im südlichen Kirgistan aufgedeckt. Während seines Verfahrens wurde Askarov gefoltert. Zudem wurden falsche Anschuldigungen gegen ihn vor Gericht eingebracht, und es fehlten Beweise. Seine Verurteilung wird von Menschenrechtsorganisationen und dem Ombudsmann der kirgisischen Regierung kritisiert.
Claudia Duque
Wird seit 2001 eingeschüchtert, belästigt, bedroht und überwacht.
Land: Kolumbien
Medium: Radio Nizkor
Die erfahrene kolumbianische Reporterin Claudia Duque wurde entführt, überwacht, gefoltert und musste wiederholt das Land verlassen. Drei hochrangige Offiziere der kolumbianischen Sicherheitsbehörden wurden vor Gericht für schuldig gesprochen, Duque und ihre Tochter gefoltert zu haben. Im Januar wurden diese freigelassen. Duque ist staatlicher Repression ausgesetzt, seit sie 2001 begann, den Mord an dem Journalisten Jaime Garzón zu recherchieren.