Oedt/Viersen (abs). Es war ein bewegender Moment, als am Samstag von rund 50 Menschen um 12Uhr mit einer Schweigeminute in Viersen die Opfer der verbrecherischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gedacht wurde. Ein Moment, in dem ich mich meiner Tränen nicht schämte, aber mein Hass auf ein strotzendes Waffenarsenal, weltweit, hochschlug.

Gleichzeitig schämte ich mich aber für die hunderte, vorbei flanierende Menschen, die nicht einmal stehenblieben um zu erfahren, um was es geht. Sie legten eine, für mich schmerzhafte Gleichgültigkeit an den Tag, die fast vulgär erschien. Eine Gleichgültigkeit, die Tür und Tor weit aufsperrt für das rechte Böse. Stumpfsinn gegen über Leid und Recht, der fast einer moralischen Verödung gleich kommt. Die Schweigende Mehrheit, die sich eines Tages wundert, wieso es soweit kommen konnte, oder deren Kinder und Enkelkinder sie irgendwann hassen, hassen müssen, weil sie Jetzt und Hier nichts unternommen haben.

Ebenso drängte sich eine andere Frage auf: wo sind sie, die abertausende, die Früher gegen Atombomben oder den Nato-Doppelbeschluss auf die Straße gegangen sind? Haben sie resigniert, oder hat auch sie die Gleichgültigkeit erwischt? Sind sie zu alt geworden oder irgendwie im Establishment angekommen und bekommen einfach ihren Arsch nicht mehr hoch?

 

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Susanne Grabenhorst Ärztin für Psychiatrie/ Psychotherapie Vorsitzende Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs e.V. (foto/abs)

S. Grabenhorst: An den akuten Folgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki starben schätzungsweise 200.000 Menschen sofort oder in den folgenden Monaten. Der Tod war grausam. Sie verdampften oder verbrannten; ihre Körper wurden durch die Druckwelle oder durch Trümmer zerstört; sie starben an akuter Strahlenkrankheit. Auch danach, bis heute – und weiterhin – sterben infolge des Einsatzes der atomaren Massenvernichtungswaffe Menschen an Krebs und anderen Krankheiten.

Warum mussten die Menschen in Hiroshima und Nagasaki sterben?

Ein Grund: Militärische Macht sollte demonstriert und ausprobiert werden. Die jeder Rüstung innewohnende Dynamik verlangt immer mehr und immer effektivere Waffen und irgendwann ihren Einsatz! Was heißt das für unsere Welt heute? Die heutigen Atomwaffen sind zahlreicher, größer, technologisch weiter entwickelt und in den Händen von viel mehr Staaten. Die Atommächte bedrohen sich nicht nur gegenseitig, sondern halten die ganze Menschheit in Geiselhaft. Das Geld, das in Atomwaffen gesteckt wird, fehlt woanders: beim täglichen Brot, bei der Gesundheit, bei der Bildung … atomare Rüstung trägt dazu bei, unsere eine Welt in arm und reich zu spalten. Rüstung tötet auch ohne Krieg!

Es gibt heute mehr als 15.000 Atomsprengköpfe weltweit. Wenn nur ein Prozent davon eingesetzt würde, käme es infolge der Rauch- und Staubwolken und durch Zerstörung der Ozonschicht zu Klimaveränderungen, Ernteausfällen und dem Hungertod von Milliarden von Menschen. Atomwaffen töten direkt … Atomwaffen töten langsam … Atomwaffen töten indirekt durch Ressourcenverschwendung und Klimaveränderung Bei dieser globalen Dimension landet jeder Krieg mit Atombomben vor unserer Haustüre. Auch wir sind betroffen! Soweit darf es nicht kommen! Das wollen wir verhindern! Wir sagen Nein!

Keine Regierung, kein Mensch sollte so viel Macht haben, die Welt mit einem Knopfdruck zu zerstören!

Wir wollen eine atomwaffenfreie Welt! Das will auch die sogenannte Humanitäre Initiative von inzwischen 113 Staaten, die sich verpflichtet haben, sich für ein vollständiges Verbot von Atomwaffen einzusetzen. Diese Staaten, allen voran Österreich, wollen nicht mehr den militärstrategischen Debatten und Ränkespielen der Atommächte zuschauen. Sie richten vielmehr den Blick auf das, was Atomwaffen anrichten. Die Humanitäre Initiative fordert eine Ächtung von Atomwaffen analog zum völkerrechtlichen Verbot von anderen Massenvernichtungswaffen wie Chemiewaffen und biologischen Waffen, von Landminen und Streubomben. Bei der „Humanitären Initiative“ ist unser Nachbarland Österreich vorangegangen.

Und wo bleibt Deutschland? Die deutsche Regierung verweist auf ihre Bündnisverpflichtungen und schließt sich der Initiative leider nicht an. Deutschland duldet im Rahmen der nuklearen Teilhabe US-Atomwaffen in Büchel, trainiert BomberpilotInnen, die mit deutschen Tornados Atomwaffen abwerfen können.

Dabei wäre das Engagement Deutschlands in dieser atomwaffenstrotzenden Welt so nötig, in der es aktuell zu hochgefährlichen politischen und militärischen Eskalationen kommt. Dies ist auch eine Folge der sträflichen Vernachlässigung von Ziviler Konfliktbearbeitung.

Statt Atomwaffen und Rüstungsexporten, statt militärischer Drohgebärden und weltweiter Aufrüstung, brauchen wir anderes. Wir brauchen unbedingt: Verhandlungen unter Einbezug der Erkenntnisse der Friedensforschung, die ja auf dem Tisch liegen … mehr Diplomatie und den Einsatz von neutralen Vermittlerinnen … den Einbezug der Zivilgesellschaft … gesichtswahrende Kompromisse, eine deeskalierende respektvolle Sprache, und vertrauensbildende Maßnahmen auf allen Ebenen …

Die Drohungen, die Sanktionen und die militärische Unterstützung von Konfliktparteien dagegen führen uns von Krise zu Krise. Gewalt produziert neue Gewalt!

Was für eine Welt vermachen wir der nächsten Generation? Was für eine Zukunft haben wir für sie parat?

Gedenken an die Opfer von Hiroshima heißt nicht nur trauern, sondern auch sich einsetzen für eine Welt frei von Atomwaffen.

Die Organisation, für die ich heute spreche, die IPPNW (die Internationalen Ärzte und Ärztinnen für die Verhütung des Atomkriegs) setzt sich für zivile Lösungen ein. Wir sind davon überzeugt, dass es zivile Lösungen für alle Probleme gibt, die die Betroffenen selber herausfinden bzw. wählen müssen. Und wir sind auf der anderen Seite davon überzeugt, dass weder Krieg und noch Militär – und schon gar nicht Atomwaffen – irgendeines der Probleme und irgendeinen der Konflikte unserer Welt lösen können.

Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich der Humanitären Initiative anzuschließen.

Und hier in Viersen kann auch etwas getan werden. Mit dem Bürgerantrag – der hier unterschrieben werden kann – werden Bürgermeister und Rat der Stadt aufgefordert, der weltweiten Initiative „Bürgermeister für den Frieden“ endlich beizutreten. Verpflichten wir uns siebzig Jahre nach Hiroshima und Nagasaki, die Ächtung, das Verbot und die Abschaffung der Atomwaffen voranzubringen! So kann aus dem Blick zurück auf die Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki ein Blick nach vorne werden in Richtung einer atomwaffenfreien Zukunft.

 

Antrag der Grünen in Grefrath 

 

Jede Unterschrift zählt (abs)
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Martina Maaßen, Bürgermeisterkandidatin der Grünen foto(abs)

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