oedt/abs. Die Corona-Pandemie hat es uns gezeigt: Es ist möglich, bestimmte Bevölkerungsgruppen direkt zu erreichen – wenn man will. Daten sind „noch und nöcher“ vorhanden. Sie müssten nur von den unterschiedlichen Behörden in einem Amt gebündelt werden. Dann könnte auch die Sicherheit, so weit wie es heute möglich ist, diese Datensätze gewährleistet werden.
Doch dazu braucht es drei Dinge: Interesse, Geld und das Bewusstsein von Verantwortung.
Seit Jahren werden Kommunen und Landkreise finanziell auf Sparflamme gesetzt und die Personaldecke wird zwangsläufig dadurch immer dünner. Gleichzeitig werden aber durch Landesregierungen und Bundesregierung Aufgaben ausgegliedert und den Kommunen zugewiesen. Diese Überforderung hat jedoch ihren Preis: Zuwenig Mitarbeiter, hoher Krankenstand, Kostenexplosion des Gemeindehaushalts und das Verwalten auf ein Minimum des Notwendigen.
So werden in Deutschland Millionen, hauptsächlich ältere oder vorerkrankte Menschen alleine gelassen und öffentlich nicht wahrgenommen. Obwohl fast 10 Millionen Menschen, deren Gesundheit durch Hitzewellen gefährdet sind, darauf angewiesen wären. Daten, die für solche Risikogruppen lebensnotwendig sind, sind weder vorhanden noch durch die Bundesregierung geplant. Und wie so oft, schiebt Berlin die Verantwortung auf Kommunen und Landkreise, Hitzeaktionspläne aufzustellen. Denn unsere Bundesregierung hat weder ein Register noch, wie so oft, keine Ahnung davon, wie viele Menschen durch Hitze gefährdet oder schon verstorben sind.

Der Hitze ausgeliefert

Hitze in Deutschland: Mindestens neun Millionen Menschen gefährdet

Hohe Temperaturen sind für alleinstehende Ältere und Personen mit Behinderungen lebensbedrohlich – aber weder Bundesregierung noch Städte und Landräte kümmern sich um sie. Dabei zählen in Deutschland nach CORRECTIV-Recherchen rund neun Millionen Personen zu diesen Risikogruppen.

von Annika Joeres , Katarina Huth , Gesa Steeger

Hitze
Mehr als 9 Millionen Menschen in Deutschland benötigen Schutz vor hohen Temperaturen (Foto: Jeremy Bezanger / unsplash.com)

Ältere und geschwächte Personen in Bordeaux, Toulouse oder Paris werden in diesen heißen Tagen sehr umsorgt: Mitarbeitende des Sozialen Dienstes rufen sie täglich an, stellen Ventilatoren in ihren Wohnungen auf, reichen Flüssigkeit. Frankreich hat für Hitzewellen wie die aktuelle schon lange vorgesorgt. Über 65-Jährige, die alleine leben und Menschen mit Behinderungen und Erwerbsunfähige können sich in ihrer Stadt registrieren lassen. Sobald die rote Alarmstufe „Hitzewelle“ gilt, erkundigt sich der Soziale Dienst nach ihrem Wohlbefinden und benachrichtigt sogar die Feuerwehr, sollte die Person nicht zu erreichen sein. „Die Menschen sind uns sehr dankbar“, sagt Marie-Alice Bayle-Dufetelle, Chefin der Gesundheitsbehörde von Frankreichs drittgrößter Stadt Lyon. „Manchmal können wir Leben retten, indem wir unseren schwächeren Mitmenschen ein Glas Wasser reichen.“

Die französische Regierung hat schon vor knapp zwanzig Jahren nach einer tödlichen Hitzewelle alle Kommunen verpflichtet, ein solches Register für Schutzbedürftige zu führen. In Deutschland hingegen werden Millionen ältere und vorerkrankte Menschen bislang bei Hitze kaum öffentlich versorgt – obwohl viele darauf angewiesen wären: Nach Recherchen von CORRECTIV beläuft sich die Zahl der Personen, deren Gesundheit bei andauernd hohen Temperaturen potentiell gefährdet ist, auf 8,9 Millionen.

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WZ 19.07.22

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Stand: 19.07.2022 16:08 Uhr

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